Mount Whitney - Besteigung durch Thomas Bahr

Neben den gigantischen Redwoods in Sequoia war einer meiner Träume für meine Zeit in Kalifornien einen der Gipfel der Sierra Nevada zu besteigen. Da ich schon einige Zeit vor habe einen 4000er zu besteigen und das aufgrund von Winter und meiner etwas frühzeitigen Abreise aus Europa nicht mehr möglich war, habe ich angefangen mich umzusehen was es denn so in Kalifornien gibt. Nach einiger Recherche im Internet bin ich auf den Mount Whitney gekommen. Zum einen ist es ein 4000er, zweitens der höchste Berg in Kalifornien und den 48 zusammenhängenden Staaten sowie drittens gibt es auch noch einen technisch relativ problemlosen Zugang. Somit habe ich mir vorgenommen den Mt Whitney zu bezwingen. Also mal schnell in meiner letzten Nacht in Deutschland einen Schlafsack, Steigeisen, Bergstiefel und Helm eingepackt. Nach meinem Trip nach Sequoia und Yosemite im September und einigen sehr kalten Nächten war mir schon mal klar, dass ich in der schnelle des Packens einen Fehler gemacht habe: Der eingepackte Sommerschlafsack ist selbst im warmen Kalifornien nicht hochgebirgstauglich und schon gar nicht im Winter auf über 3000 m. Also musste eine Lösung gefunden werden, die letztlich im Kauf eines 0°F-Schlafsacks für 55 Dollar bestand. Zudem war mir auch recht bald klar das eine Eisaxt (zu deutsch auch Pickel) nötig sein würde, nur meine habe ich intelligenterweise zu Hause gelassen. Eigentlich wollte ich dann eine Eisaxt mieten, aber dankenswerterweise hat die Firma die diese vermietete das ganze kurz zuvor eingestellt. Also halt noch für 70 Dollar eine Eisaxt gekauft. Über das Internet habe ich mir dann zwei Teampartner gesucht. Deb und Red, beide lustigerweise in den Streitkräften (Marine und Navy), hatten dann Zeit und Lust das Unternehmen anzugehen. Deb wohnt in Temecula etwa 30 Meilen nördlich, um mich mit ihr zu treffen bin ich mit dem Greyhound von San Diego nach Temecula gefahren. Der Rest der Strecke wurde dann in Debs Auto zurückgelegt.

Als der Bus dann am Donnerstag den 10. November nach 1:20 h in Temecula angekommen ist hat Deb bereits auf mich gewartet und es konnte losgehen. Nach Lone Pine sind es etwa 4 Stunden Fahrt, so dass unser Ziel war mit Sonnenuntergang in Lone Pine anzukommen. Die Fahrt ging eigentlich recht schnell rum, wir haben uns halt unterhalten über was wir so machen, unsere Trips, Bergsteigen. Deb als Marine war bereits im Irak und mehrfach auf Schiffen im Persischen Golf.

Gegen 5 Uhr nähern wir uns Lone Pine und die letzten Reste des Sturmtiefs verdichten sich prompt zu einem ausgewachsenen Gewitter. Während sich Blitz, Donner und hier unten Regen austoben tragen wir uns in der Ranger Station für einen selbstausgestellten Permit ein. Am Mt Whitney gilt ein ganzjähriges System von Permits, diese sind im Sommer limitiert (60 Übernachtungen und 100 Tagestouren pro Tag), ab November ist Wintersaison und es gibt keine Quoten mehr. Dies und die extrem geringere Zahl an Leuten auf dem Berg waren der Grund für meinen Winterversuch am Mt Whitney. Während das Gewitter abzieht haben wir im noch relativ warmen Lone Pine (ca. 4000 ft) was gegessen und unsere Rucksäcke für den nächsten Morgen gepackt. Dann fahren wir bei langsam aufklarendem Wetter nach Whitney Portal (8637 ft). Hier schlafen wir in Debs Nissan Xterra und warten auf Red der sich im Verkehr festgefressen hat. Irgendwann im Laufe des Abends trifft dann auch Red ein und wir sind komplett.

Mit Sonnenaufgang stehen wir auf, essen eine Kleinigkeit und dann geht es los. Zuerst windet sich der Trail in Serpentinen das Tal des Lone Pine Creek hinauf. Aufgrund des Wintersturms in den zwei Tagen zuvor hat es frisch geschneit und ab etwa der Höhe von Whitney Portal in 8500 ft beginnt der Schnee. Anfangs ist alles nur überzuckert und zusammen mit der aufgehenden Sonne ergibt sich eine schöne Stimmung.

thomasbahr.de Lone Pine Creek

Während über uns der Winter herrscht ist es unten im Tal eher wüstenhaft. Im Hintergrund zeichnen sich die White Mountains ab.

thomasbahr.de Lone Pine and White Mountains

Mit zunehmender Höhe wird aus der Puderzuckerdecke recht schnell eine geschlossene Schneedecke auf dem Pfad und in der Umgebung. Nach 2,5 Meilen kommt man zur Überquerung des Lone Pine Creek. Die schmalen Balken erfordern mit Rucksack etwas Balance, insbesondere da sie mit Schnee bedeckt sind.

thomasbahr.de Lone Pine Creek Querung

Nach einer weiteren Meile den Berg hinauf kommt man nach Outpost Camp (10.360 ft), ich lasse dies links liegen und marschiere weiter. Kurz vor Outpost Camp habe ich jedoch die Gelegenheit an der Big Horn Sheep Park Meadow genutzt ein schönens Foto von den verschneiten Felswänden über mir zu schießen.

thomasbahr.de Outpost Camp View

Im Anstieg hinter Outpost Camp bietet der Blick zurück Ausblick auf Lone Pine Lake den ich beim Aufstieg links liegen gelassen habe.

thomasbahr.de Lone Pine Lake

Entlang des Lone Pine Creek und einer moorigen Senke geht es mit geringer Steigung den Berg hinauf. Die Sonne steht zwar bereits sehr viel höher, aber aufgrund der steilen viele hundert Meter hohen Felswände bin ich immer noch im Schatten.

thomasbahr.de moorige Senke Lone Pine Creek

Das der Winter hier bereits regiert ist an diesem gefrorenen Wasserfall deutlich sichtbar. Die Zapfen mit ihrem kalten Grünblau stehen in schönem Kontrast zu der warmen orangen Reflektion der Morgensonne von den Felszinnen über mir.

thomasbahr.de Gefrorener Wasserfall

Ich erreiche nun den Mirror Lake (10.640 ft), dieser ist jedoch gefroren, so dass hier nichts spiegelt. Danach geht es deutlich steiler als zuvor eine Felsstufe empor, beim Blick zurück liegt der Mirror Lake schnell unter mir.

thomasbahr.de Mirror Lake

Die Schneebedeckung nimmt jetzt deutlich zu, man sinkt inzwischen deutlich ein. Die Gefrier-Tau-Zyklen bewirken das sich immer wieder Eiszapfen bilden.

thomasbahr.de eiszapfen

Es geht jetzt hart den Berg hinauf, die Bäume verschwinden und man ist voll in der alpinen Stufe. Der Schnee wird jetzt so hoch, dass ich einen Moment stehen bleibe und die Gamaschen anlege, da ich inzwischen mehr als knöcheltief einsinke und mir der Schnee in die Bergstiefel zu fallen beginnt. Mit den Gamaschen und meiner Mammut Eiger XCR Gore Tex Hose ist das aber kein Problem. Der Schnee bleibt draußen und trocken und warm ist man auch. Es beginnt jetzt hart zu werden, ich steige schließlich schon 3 Stunden ohne Pause den Berg hinauf und die Luft ist hier auf 11.000 ft auch schon ziemlich dünn. Nach einer weiteren Stunde erreiche ich den Grat oberhalb von Consultation Lake, eine traumhafte weiße Winterlandschaft mit glitzerndem Wasser breitet sich vor mir aus.

thomasbahr.de consultation lake

Das letzte kurze Stück nach Trail Camp fällt wieder leicht da die Steigung jetzt zurückgenommen ist. Ich erreiche Trail Camp (12.039 ft) nach 4 Stunden und 25 Minuten. Jetzt stellt sich die Frage nach einem geeigneten Zeltplatz. Ich erkunde bereits mal das Gelände während ich auf die anderen warte die hinter mir aufsteigen und bin erst mal ganz alleine. Es zeigt sich schnell das das Zelt bitter nötig ist, da ein eisiger böiger Wind Schneefahnen über das Gelände treibt. Ich fühle mich irgendwie wie am Everest (auch entsprechend kurzatmig).

thomasbahr.de Trail Camp Schneeböe

Wir stellen das Zelt auf und essen eine Kleinigkeit, dann verkriechen wir uns um halb drei am Mittag in unsere Schlafsäcke denn es ist eisig draußen. Ich leide unter leichten Symptomen der Höhenkrankheit und habe Kopfschmerzen. Gegen halb fünf wird es langsam dunkel und ich raffe mich auf nochmal aufs Klo zu gehen und Wasser zu holen. Um Wasser zu bekommen muss ich mit der Eisaxt ein Loch in das 10 cm dicke Eis eines nahe gelegenen kleinen Schmelzwasserteichs hacken. Die Bewegung tut mir gut und meine Kopfschmerzen verschwinden, das waren dann auch die einzigen Höhenkrankheitssymptome glücklicherweise. Es wird dunkel und die Sonne malt letzte Farben in den Himmel und auf die schneebedeckten Gipfel.

thomasbahr.de Sonnenuntergang Trail Camp 1 thomasbahr.de Sonnenuntergang Trail Camp 2 thomasbahr.de Sonnenuntergang Trail Camp 3

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